Ausrufung der Alarmstufe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima am 23.06.2022

Häufig gestellte Fragen / FAQ

Die Alarmstufe wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz per Pressemitteilung bekannt gegeben. Sie tritt ein, wenn laut Notfallplan Gas „eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegt, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt, der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen.“ Diese Meldung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am 23. Juni 2022 veröffentlicht. 

Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiter gewährleistet. Aber die Lage muss sehr genau beobachtet werden. Mit der jetzt ausgerufenen Alarmstufe wird die Beobachtung intensiviert und das Signal verstärkt, dass der Verbrauch aus Vorsorgegründen reduziert werden soll. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ändert sich allein mit der Ausrufung der Alarmstufe durch das Bundeswirtschaftsministerium erst einmal nichts. Auch in der sogenannten Alarmstufe kümmern sich die Marktakteure - also insbesondere die Gasnetzbetreiber und die Gashändler - noch in Eigenregie um die Aufrechterhaltung einer stabilen Gasversorgung. Auch hier können die in Stufe 2 des Notfallplans Gas genannten Maßnahmen von den Marktakteuren ergriffen werden. Dazu gehören wiederum beispielsweise die Nutzung von Flexibilitäten auf der Beschaffungsseite, der Rückgriff auf Gasspeicher, die Optimierung von Lastflüssen oder die Anforderung externer Regelenergie.   

Jede Kilowattstunde Gas, die wir im Sommer einsparen, trägt dazu bei, dass wir mehr Gas einspeichern und dadurch besser durch den Winter kommen können. Daher ist jeder Gasverbraucher gehalten, so viel Energie wie möglich einzusparen. Dies gilt für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Industrie als größtem Erdgasverbraucher. Es braucht jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Dazu gehören kleine Dinge im Alltag wie das Senken der Raumtemperatur oder die Dauer des Duschens. Noch mehr und vor allem nachhaltig Energie sparen können Hausbesitzer durch eine energetische Gebäudesanierung, um die Energieeffizienz des Gebäudes zu erhöhen.

Insbesondere im kommenden Winter sollte Haushalte auch noch stärker auf hier Heizverhalten achten. Als Faustformel gilt: Durch Grad weniger Raumtemperatur lässt sich der Gasverbrauch um sechs Prozent reduzieren.

Die Versorgung ist aktuell weiterhin gewährleistet. Es lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, wie lange die Versorgung ohne größere Eingriffe nahezu im Normalzustand weiterlaufen kann. In jedem Fall sind Haushaltkunden und Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. 

Preise und wirtschaftliche Folgen

Es ist davon auszugehen, dass nach Verkündung der Alarmstufe die Preise an den Gas-Handelsplätzen steigen. Welchen Einfluss das auf die Endkundenpreise haben wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Klar ist, dass aufgrund des ohnehin sehr hohen Börsenpreisniveaus der Druck auf die Gaspreise sehr hoch ist.

Durch stark ansteigende Preise wächst das Risiko krisenbedingter Liquiditätsverwerfungen bei einzelnen Energieversorgungsunternehmen in der Lieferkette. Dadurch kann ein Dominoeffekt entstehen, der weitere Unternehmen erfasst und letztlich die Gewährleistung der Energieversorgung bedrohen kann. Die bereits beschlossenen Rettungsschirme der Bundesregierung können hier einen Beitrag leisten, um das Risiko zu senken.

Preisänderungen sind unabhängig von der Ausrufung der Alarmstufe nach den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben z.B. in der Grundversorgungsverordnung und unter den dort festgeschriebenen Bedingungen grundsätzlich möglich. Das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) enthält nun in §24 ein außerordentliches gesetzliches Preisanpassungsrecht. Die Anwendung des Preisanpassungsrechts setzt voraus, dass sowohl das Bundeswirtschaftsministerium die Alarmstufe ausruft als auch die Bundesnetzagentur einen Gasmangellage feststellt. Letzteres ist bisher nicht erfolgt, so dass das Recht zur Preiserhöhung nach § 24 EnSiG bisher nicht anwendbar ist.

Eine erhebliche Reduzierung der Gesamtimportmengen nach Deutschland kann dazu führen, dass Gasversorger nicht die langfristig gekauften Gasmengen erhalten, sondern zu den aktuell sehr hohen Großhandelspreisen Ersatz beschaffen müssen. Es besteht das Risiko krisenbedingter Liquiditätsverwerfungen bei einzelnen Energieversorgungsunternehmen in der Lieferkette.

Um solche Entwicklungen zu vermeiden, sieht das Energiesicherungsgesetz die Möglichkeit zur kurzfristigen Preisanpassung vor. Damit soll sichergestellt werden, dass die Versorger trotz eventuell notwendiger Ersatzbeschaffungen infolge einer Gasmangellage ihren Versorgungsauftrag erfüllen können. Das Preisanpassungsrecht deckt nur Ersatzbeschaffungen wegen ausgefallener Importmengen nach Deutschland ab. Die Nutzung dieses zusätzlichen Rechts ist allerdings sehr herausfordernd für alle Beteiligten. Das Gesetz sieht verschiedene Bedingungen für die Abwicklung der Preisanpassung, ihre regelmäßige Überprüfung und die Preisabsenkung nach Beendigung der Mangellage vor.  

Es ist sehr zu hoffen, dass sich solche Fälle vermeiden lassen.

Bei einer erheblichen Reduzierung von Gasimportmengen können allerdings systemgefährdende Wiedereindeckungsrisiken bei den Energieversorgungsunternehmen eintreten. Im Falle auftretender Liquiditäts- bzw. Verschuldungsprobleme sind ergänzende Liquiditätshilfen und Zuschüsse für Energieversorgungsunternehmen sowie ein eng gefasstes Insolvenzmoratorium aus Sicht der Energiewirtschaft erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Der neu eingeführte Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) mit der Möglichkeit der Preisanpassung für Energieversorger soll einen Beitrag leisten, um die Lieferketten zu stützen. Die Umsetzung des Preisanpassungsrechtes ist allerdings in der Praxis herausfordernd und mit einem Zeitverzug versehen. Darüber hinaus ist es bisher nicht anwendbar, da die Bundesnetzagentur die erhebliche Reduzierung der Gasimporte nicht festgestellt hat. In jedem Fall müssen daher auch weitere Maßnahmen sicherstellen, dass die Energieversorger ihre Aufgaben auch in der Krise bewältigen können. Entsprechende Bausteine finden sich in dem von der Bundesregierung beschlossenen Schutzschild für vom Krieg betroffene Unternehmen.

Zu den darin enthaltenen Programmen gehört ein KfW-Kreditprogramm, um kurzfristig die Liquidität der Unternehmen zu sichern und die Erweiterungen bei den Bund-Länder-Bürgschaftsprogrammen für von dem Ukraine-Krieg nachweislich betroffene Unternehmen. Beide Programme sind startklar und können genutzt werden.

Zu dem beschlossenen Maßnahmenpaket gehört auch ein Programm zur temporären Kostendämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs für besonders betroffene Unternehmen in Form eines zeitlich befristeten und eng umgrenzten Kostenzuschusses. Darüber hinaus gibt es ein Finanzierungsprogramm für durch hohe Sicherheitsleistungen (Margining) gefährdete Unternehmen. Für diese Maßnahme ist ein Kreditvolumen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen.

Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist noch zu prüfen.

Blick nach vorne:

Aktuell kommt auch verstärkt Flüssigerdgas via Großtanker aus den USA nach Europa und die USA haben eine Erhöhung der langfristigen Lieferungen zugesagt. Die derzeit größten LNG-Anbieter sind Katar, Australien und auch die USA. Insbesondere dort sind viele Produzenten in der Lage, ihre Angebotsmenge kurzfristig auszuweiten, um auf eine erhöhte Nachfrage zu reagieren.

Mittelfristig werden der massive Ausbau Erneuerbarer Energien, eine diversere Lieferstruktur für alle Energieimporte und der Hochlauf von Wasserstoff entscheidend für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland sein. Dabei müssen wir unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Insbesondere für die Erneuerbaren Energien muss nun endlich klar sein, dass beispielsweise Hemmnisse bei der Genehmigung und Realisierung der Projekte der Vergangenheit angehören müssen.

Für den kommende Heizperiode im Winter 2022/2023 wird ein Mix aus Maßnahmen die Versorgungssicherheit stützen: die über den Sommer gefüllten Gasspeicher, steigende Importe aus westlichen und nördlichen Nachbarländern, ein erstes verfügbares Terminal zur Anlandung von Flüssiggastankern und Einsparungen und Effizienzen in Industrie und privaten Haushalten.

Der BDEW schätzt in einer Kurzstudie, dass sich kurzfristig 19 % des deutschen Gasbedarfs substituieren oder einsparen lassen. Dies entspricht einem Drittel der Gasimporte aus Russland. Das Bundeswirtschaftsministerium hält laut 2. Fortschrittsbericht Energiesicherheit eine weitgehende Unabhängigkeit von russischen Gasimporten im Sommer 2024 für möglich.

In den unterschiedlichen Szenarien und Kurzstudien gibt es unterschiedliche Einschätzungen der Deckungslücke für den Winter 2022/23. Es besteht aber Einigkeit, dass bei einem Liefer-stopp erhebliche Einsparungen notwendig sind, da die Gaslieferungen aus Russland bis zum bevorstehenden Winter nicht vollständig ersetzt werden können.

Durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage aus Europa stoßen die Verflüssigungskapazitäten in den Lieferländern an Grenzen. Deutliche Ausweitungen der Förderung und der Verflüssigungskapazitäten waren unter anderem in Katar, den USA oder Australien bereits geplant und werden nun beschleunigt umgesetzt.

Die LNG-Versorgung hat Auswirkungen auf das Angebot am Erdgasmarkt. Das verdeutlichen die BDEW-Erdgasdaten vom 23.06.22: Aktuell kostet Erdgas im längerfristigen Handel des Terminmarkts für das Lieferjahr 2023 104,97 €/MWh. Für das Lieferjahr 2025 liegt der Preis aktuell bei 55,42 €/MWh. Durch LNG-Lieferungen kann die Abhängigkeit von russischen Pipelinelieferungen mit dem Ausbau der Infrastruktur in Deutschland und den Lieferländern aufgelöst werden. Das bedeutet aber auch, dass aktuell das Preisniveau stark vom konkurrierenden asiatischen Markt beeinflusst wird.

Aktuelle Tanker haben eine Kapazität von 120.00 bis 145.000 m³ LNG. Der größte derzeit verfügbare Tanker fasst 266.000 m³ LNG. Weltweit sind rund 500 LNG-Tanker im Einsatz. 150.000 m3 LNG entsprechen 0,92 TWh Erdgas (Brennwert). Zur Deckung des in Deutschland verbrauchten russischen Gases im Jahr 2021 wären knapp 500 Tankerladungen notwendig gewesen.

Grundsätzlich stehen genügend LNG-Tanker zur Verfügung. Der Flaschenhals besteht eher in den Verflüssigungsanlagen und damit der kurzfristigen Verfügbarkeit von zusätzlichem LNG am Markt. Das bedeutet, dass europäische und asiatische Märkte stark um die kurzfristig verfügbaren Mengen konkurrieren.

Zahlen | Daten | Fakten rund um Erdgas

Deutschland hatte 2021 einen Erdgasverbrauch von 1016,2 Terrawattstunden (104 Milliarden Kubikmeter), der Nettoimport lag bei 904,5 TWh (92,5 Mrd. m³). Rund die Hälfte davon, 46 Mrd. m³, kam 2021 aus Russland. Im April 2022 lag der Anteil russischen Gases noch bei 35%.

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Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Gasversorgung in Deutschland

1. Frühwarnstufe

Das BMWK hat am 30. März 2022 vorsorglich die Frühwarnstufe ausgerufen. Dies ist eine vorsorgliche Maßnahme, die dazu dient, dass alle Unternehmen und Institutionen sich auf den Fall einer Lieferreduzierung oder -unterbrechung und dadurch verursachte mögliche Engpässe in der Gasversorgung vorbereiten können. Es bedeutet nicht, dass ein akuter Gasmangel besteht. Aktuell liegt kein Versorgungsengpass vor.

Der Notfallplan Gas sieht im Falle von Versorgungskrisen insgesamt drei Krisenstufen vor:

  1. Frühwarnstufe,
  2. Alarmstufe,
  3. Notfallstufe.

Die Frühwarnstufe ist erreicht, wenn konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf vorliegen, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- bzw. der Notfallstufe führt; die Frühwarnstufe kann durch ein Frühwarnsystem ausgelöst werden. 

Im Notfallplan Gas ist klar definiert, welche Folgen das Ausrufen der Frühwarnstufe hat (siehe hierzu auch S. 18 des Notfallplans Gas der Bundesregierung):

  • Die Gasversorgungsunternehmen stellen weiterhin in Eigenverantwortung die Versorgung mit Erdgas für die nach § 53a EnWG geschützten Kunden sicher. Hierfür stehen ihnen marktbasierte Maßnahmen zur Verfügung, wie unter anderem die Nutzung interner Regelenergie, die Optimierung von Lastflüssen, die Anforderung externer Regelenergie, der Abruf externer lokaler und/oder netzpunktscharfer Regelenergie, die Verlagerung von Erdgasmengen in Abstimmung mit Nachbarstaaten, Lastflusszusagen und unterbrechbare Verträge.
  • Aktuell läuft seitens der Gasnetzbetreiber eine Datenabfrage bei den relevanten Unternehmen. Hier werden unter anderem die Kontaktdaten aktualisiert sowie Daten erfasst, welches Unternehmen wie viel Gas wofür nutzt, wo es die Möglichkeit gibt, auf andere Energieträger umzusteigen und welche Konsequenzen aus einer Reduzierung oder einer Unterbrechung der Lieferungen erwachsen. Diese Datengrundlage ist für die Netzbetreiber wichtig, da die Situationen in den einzelnen Netzgebieten sehr unterschiedlich sind.
  • Die Fernleitungsnetzbetreiber geben mindestens einmal täglich schriftliche Lageeinschätzungen, an das Bundeswirtschaftsministerium. Die Übertragungsnetzbetreiber Strom tauschen notwendige Informationen aus und koordinieren soweit möglich ihre Maßnahmen untereinander mit der Maßgabe, ihre jeweiligen Netze stabil zu halten.
  • Die Gasversorgungsunternehmen unterstützen das Bundeswirtschaftsministerium bei der Lagebewertung und sind Teil des einberufenen Krisenteams.
  • Den Vorsitz das Krisenteams hat das Bundewirtschaftsministerium inne und wird in dieser Rolle durch die Bundesnetzagentur vertreten. Das Kernteam setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Ferngasnetzbetreiber, den Marktgebietsverantwortlichen und Vertreter der Bundesländer zusammen. Optional können Verbände wie z.B. der BDEW hinzugezogen werden. • Das Bundeswirtschaftsministerium unterrichtet unverzüglich die EU-Kommission, insbesondere über geplante Maßnahmen. 

Aktuell liegt kein Versorgungsengpass vor, aber die Branche muss Vorsorge betreiben. Der BDEW hat sich zu der Forderung veranlasst gesehen, um

  • alle von einem möglichen Lieferstopp russischer Gasmengen betroffenen Unternehmen sich jetzt auf diese Situation vorbereiten und so einen wertvollen Beitrag zur Krisenvorsorge leisten können,
  • im Sinne der Versorgungssicherheit in Deutschland europaweit einheitlich vorgegangen wird,
  • alle Gasnetzbetreiber und Gasversorgungsunternehmen sich auf die zu ergreifenden Maßnahmen und die erforderlichen Abläufe im Krisenfall vorbereiten und diese rechtlich richtig einordnen können.

Die Verträge belaufen sich derzeit in Euro oder Dollar. Die Energiebranche geht davon aus, dass dies weiterhin gilt. Die neuen, kurzfristigen und unkonkreten Meldungen aus Moskau, wie Gaslieferungen zu bezahlen sind, bestätigen, dass der Schritt des Bundeswirtschaftsministeriums, die Frühwarnstufe im Notfallplan Gas auszurufen, richtig war. Derzeit gibt es keine Versorgungsengpässe, aber die Bundesregierung und die Branche bereiten sich intensiv vor, damit alle Beteiligten für den Fall einer Lieferunterbrechung einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben. 

2. Versorgungssicherheit Gas

Sicher ist: In den kommenden Monaten wird jeder Gas- und Fernwärmekunde eine warme Wohnung haben. Wir haben in Europa Sicherungsmechanismen, die in einer Engpasssituation greifen. In jedem Fall sind Haushaltkunden und Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. Auch würden im Falle eines Engpasses vertraglich geregelte Abschaltvereinbarungen mit der Industrie oder der Wechsel auf andere Energieträger die Nachfrage nach Erdgas drosseln.

Die Energiewirtschaft steht in engem Austausch mit der Bundesregierung bzw. vor allem mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und der Bundesnetzagentur. Sie beobachtet die aktuelle Lage genau und bewertet sie regelmäßig entlang der bestehenden Vorsorgepläne. 

Die Gasversorgung ist ein wichtiger Baustein der Versorgungssicherheit. Die Energiewirtschaft nimmt ihre hohe Verantwortung wahr und bereitet sich auf Krisensituationen gewissenhaft vor. Klar ist: Geschützten Kunden, wie etwa private Haushalte, werden so lange wie es geht, beliefert. Aber wir brauchen Kriterien für ungeschützte Kunden, etwa in der Industrie. Hierbei kann auf dem Leitfaden von VKU, GEODE und BDEW aufgebaut werden, der den Notfallplan des BMWK untersetzt. Wenn Gaslieferungen nicht mehr möglich sind, muss es schnell gehen. Es ist daher wichtig, dass bereits jetzt im Vorfeld alle notwendigen Maßnahmen diskutiert und ergriffen werden, um mögliche Folgen für die Wirtschaft abzumildern. Wir brauchen klare verlässliche Kriterien für eine tragbare Reduzierung der benötigten Gasmengen. 

Russland liefert mittlerweile nur noch rund 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases. Sollten Lieferungen aus Russland kurzfristig ausfallen, ist das eine große Herausforderung. 

Europa kann auf einen breiten Liefermix bauen: Gas kommt gewissermaßen aus allen Himmelsrichtungen nach Europa und somit auch nach Deutschland. Direkte Lieferländer sind neben Russland beispielsweise Norwegen und die Niederlande. Hinzu kommt die sehr gute Gasspeicher-Infrastruktur insbesondere in Deutschland sowie das europäische Gas-Verbundnetz, das den innereuropäischen Gas-Austausch ermöglicht und in den vergangenen Jahren stetig weiter ausgebaut worden ist. Aktuell kommt auch verstärkt Flüssigerdgas via Großtanker aus den USA nach Europa und die USA haben eine Erhöhung der langfristigen Lieferungen zugesagt. Die derzeit größten LNG-Anbieter sind Katar, Australien und auch die USA. Insbesondere dort sind viele Produzenten in der Lage, ihre Angebotsmenge kurzfristig auszuweiten, um auf eine erhöhte Nachfrage zu reagieren. Mittelfristig werden der massive Ausbau Erneuerbarer Energien, eine diversere Lieferstruktur für alle Energieimporte und der Hochlauf von Wasserstoff entscheidend für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland sein. Dabei müssen wir unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Insbesondere für die Erneuerbaren Energien muss nun endlich klar sein, dass beispielsweise Hemmnisse bei der Genehmigung und Realisierung der Projekte der Vergangenheit angehören müssen. 

Die deutschen Gasspeicher sind zum Winterende auf einem vergleichbaren Füllstand wie in den Vorjahren. Tagesaktuelle Daten zu den Gasspeicherfüllständen in Europa finden Sie hier: https://agsi.gie.eu/

Die Energiewirtschaft unterstützt die Bundesregierung in dem Bemühen, den Beitrag von Gasspeichern zur Versorgungssicherheit krisenfest zu machen. Unabdingbares Ziel ist, mit ausreichend gefüllten Gasspeichern in den nächsten Winter zu gehen, dies auch nachhaltig sicherzustellen und dabei Verbraucher nicht mit unnötig hohen Kosten zu belasten. 

Die Energiewirtschaft beobachtet die Situation sehr genau und ist in ständigem Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium, um die aktuellen Entwicklungen zu analysieren. Je besser wir die Gasversorgung diversifizieren können, desto flexibler können wir auf Änderungen der aktuellen Situation reagieren. Für einen Wegfall der Erdgas-Importe brauchen wir zusätzliche Strukturen und den starken europäischen Verbund. Der BDEW hat eine Analyse zur Frage vorgelegt, wie viel Erdgas kurzfristig, also bei einem unmittelbaren Ausfall aller Erdgaslieferungen aus Russland, in den Bereichen Wärme, Stromerzeugung, Industrie und Verkehr in Deutschland durch den Einsatz anderer Energieträger oder durch Einsparungen ersetzt werden könnte. Die Analyse zeigt, dass sich Stand heute rund 50% des russischen Erdgases kurzfristig einsparen oder substituieren lassen. Das entspricht etwa 20% des Jahresgasbedarfs in Deutschland. Im Wissen, das ein Embargo nur mit erheblichen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft einhergeht, arbeitet die Energiewirtschaft mit Hochdruck daran, mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden.

Energiepreise werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Daher machen wir zur Entwicklung der Preise grundsätzlich keine konkreten Prognosen. Aber natürlich ist der Druck auf die Strom- und Gaspreise aufgrund des Krieges in der Ukraine enorm. Hinzu kommt, dass die Großhandelspreise bereits vor Kriegsausbruch auf einem außergewöhnlich hohen Niveau lagen. Das verteuert für die Energieversorger die Beschaffung von Strom und Gas ganz erheblich. Die Politik muss hier alle Optionen prüfen, wie die Bürgerinnen und Bürger bei steigenden Preisen entlastet werden können. Die Abschaffung der EEG-Umlage ist dabei ein wichtiger Schritt, aber es sollten auch alle weiteren Optionen geprüft werden, beispielsweise die Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie von 19 auf 7 Prozent oder die Senkung der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß. Die Herausforderungen sind außergewöhnlich, daher bedarf es auch außergewöhnlicher Maßnahmen, um die Haushalte vor explodierenden Kosten zu schützen und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern.

Die Energiewirtschaft arbeitet mit Hochdruck an einer Diversifizierung der Bezugsquellen für Gas, um unabhängiger von Energieimporten aus Russland zu werden. In gewissem Umfang können LNG-Importe hierzu einen Beitrag leisten. Die derzeit größten LNG-Anbieter sind Katar, Australien und auch die USA. Insbesondere dort sind viele Produzenten in der Lage, ihre Angebotsmenge kurzfristig auszuweiten, um auf eine erhöhte Nachfrage aus Europa zu reagieren.

Mittel- bis Langfristig müssen wir aber - auch aus klimapolitischer Sicht – vollständig unabhängig von fossilen Rohstoffen werden. Wir brauchen deshalb einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien und einen schnellen Hochlauf von Wasserstoff. Zudem müssen Hemmnisse bei der Genehmigung und Realisierung von Erneuerbare-Energien-Projekten nun endlich der Vergangenheit angehören.

Wichtig ist, dass die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Wir brauchen mehr Flächen für Windräder und Photovoltaik-Anlagen sowie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Auch der Netzausbau und -umbau muss durch einen investitionsfreundlichen Regulierungsrahmen beschleunigt werden, damit der Strom aus Erneuerbaren sicher vom Ort der Erzeugung zu den Verbrauchern gelangt. 

Die für dieses Jahr geplanten Stilllegungen von Kohlekraftwerken stehen derzeit nicht in Frage. Welche mittel- und langfristigen Auswirkungen der aktuelle Konflikt nicht nur auf den Ausstieg aus der Kohleverstromung, sondern auf die deutsche Energiepolitik insgesamt hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bewertet werden. 

Trotz der Tatsache, dass Haushalte und soziale Einrichtungen zu den besonders geschützten Kunden gehören, hätte ein Embargo für Energielieferungen aus Russland massive negative Auswirkungen beispielsweise auf die Energiepreise für Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist verständlich, dass angesichts des Ukraine-Krieges drastische Forderungen aufgestellt werden. Bei einer drastischen Maßnahme wie einem vollständigen Embargo muss aber abgewogen werden, ob sie nicht zu untragbaren Verwerfungen führt und damit letztlich Putin in die Hände spielt.

Die Industrie würde damit von einem Embargo voll getroffen werden, ohne dass realistische kurzfristige Optionen einer Energieträgersubstitution bestehen.

Die Energiewirtschaft arbeitet mit Hochdruck daran, kurzfristig Energiemengen aus Russland zu substituieren und mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden.

Stand heute lassen sich rund 50% des russischen Erdgases innerhalb eines Jahres einsparen oder substituieren. Das entspricht etwa 20% des Jahresgasbedarfs in Deutschland. Im Wissen, das ein Embargo nur mit erheblichen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft einhergeht, arbeitet die Energiewirtschaft mit Hochdruck daran, mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden.

Der BDEW hat eine Analyse zu dieser Frage vorgelegt. Die BDEW-Analyse steht hier zum Download bereit. 

3. LNG

LNG, also Liquified Natural Gas, ist Erdgas, das auf -162° Celsius heruntergekühlt wird und dann im flüssigen Zustand nur noch ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens aufweist. Deswegen kann es in Tankschiffen transportiert werden. Diese landen das Gas an europäischen Terminals an, wo es wieder auf Normaltemperatur gebracht und in das europäische Gasnetz eingespeist wird. 

Große weltweite LNG-Exporteure sind z. B. Katar, Australien und die USA. Die Schwerpunkte der Nutzung liegen in Ostasien. Auch die europäischen Importe haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Außerdem sind in zahlreichen europäischen Großhäfen LNG-Terminals zur Aufnahme und Rückumwandlung entstanden.

LNG ist vor allem in Asien gefragt, weil diese Länder eine hohe Energienachfrage haben und zudem viele Bereiche von Kohle auf Gas umstellen. Dazu kommen Nachholeffekte, weil die Wirtschaft nach Corona wieder nach mehr Energie verlangt. Ein weiterer großer Importeur ist die wachsende Volkswirtschaft in Brasilien. In Europa, besonders in Deutschland, werden wir hauptsächlich mit Pipelinegas, etwa aus Russland, Norwegen oder den Niederlanden, versorgt Da der Bedarf aber in Europa auch steigt und Erdgas nicht mehr nur über Pipelines zu uns transportiert wird, trägt LNG zu einer weiteren Diversifizierung und Flexibilisierung der Importquellen für Erdgas in Europa und in Deutschland bei. Mit seiner logistischen Flexibilität sorgt LNG auch für eine Stärkung der weltweiten Versorgungssicherheit.

Nach unserem Informationsstand gibt es aktuell 37 LNG-Terminals in Europa, davon 26 in der EU. Europaweit gibt es damit eine Regasifizierungskapazität von rund 243,6 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Weitere LNG-Projekte sind im Bau oder in Planung. In Deutschland sind beispielsweise LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel in Planung. 

Europa besitzt verschiedene LNG Terminals, die geografisch gut verteilt sind. Deutschland hat bisher keine eigenen LNG-Terminals, kann aber über den Markt in den Niederlanden und über das europäische Gasnetz kurzfristig mit LNG beliefert werden. Zu den LNG-Terminals Dunkerque, Gate und Zeebrugge bestehen direkte Infrastrukturverbindungen nach Deutschland. Trotz der aktuell gestiegenen europäischen Nachfrage sind die Kapazitäten der europäischen LNG-Terminals noch nicht ausgelastet.

Um in den nächsten Jahren unabhängiger von russischem Erdgas zu werden, sollten neben Diversifizierung und Absicherung der Lieferketten der Ausbau zusätzlicher Infrastrukturen wie etwa LNG-Terminals (oder perspektivisch auch FSRUs – Floating Storage and Regasification Units) im Fokus stehen. LNG-Terminals können perspektivisch auch einen Beitrag leisten, um die Importstruktur für grüne Moleküle aufzubauen. Die Unternehmen brauchen allerdings Investitionssicherheit und staatliche Unterstützung sowie die Perspektive einer mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Nutzung. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Errichtung solcher zusätzlichen Infrastrukturen mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Bundesregierung sollte prüfen, inwieweit Planungs- und Genehmigungsverfahren für eine LNG-Infrastruktur deutlich beschleunigt werden können.